Die einzelnen Texte sind an sich autonom, d. h. in sich abgeschlossene Sprachbilder, Prosagedichten nicht unähnlich. Zusammengenommen ergeben sie aber – nicht nur aufgrund eines einheitlichen Duktus – ein Ganzes. Das Bild, das der Leser vom „Medienbaby“ erhält, verdichtet sich zunehmend. Obwohl das Medienbaby dabei im Vagen verbleibt: Nie Zweck ist sondern immer nur Mittel. Ein metaphorischer Leib, in dem sich alle Ereignisse des Medienzeitalters einschreiben und der einem permanenten Beschuss von Sensationsmeldungen ausgesetzt ist.
Dabei changiert die Sprache: Brutalität, Witz, medizinische Begriffe, wissenschaftliche Ausdrücke, Kindersprache, populäre Begriffe, Begriffe von jenseits und diesseits der Gürtellinie… – Ziel ist es, im dialektischen Sinne eine möglichst umfassende Sprechweise zu erlangen, bei der sich sogar eigentlich widersprechende Bedeutungsebenen übereinander schieben.
„Das Medienbaby prosperiert“ stellt einen Versuch dar, der Ungeheuerlichkeit der uns umgebenden Welt sprachlich zu begegnen, anstatt sich von ihr zum Verstummen bringen zu lassen. Notgedrungen haftet dem Medienbaby dabei selber etwas Ungeheuerliches an.
Hasta Siempre – die besten Storys der Wattenscheider Schule
+++ Die Abschieds-Tour der Guerilla-Journalisten +++
Das Autorenduo der Wattenscheider Schule hat 2009 die Geburtsstunde des Guerilla-Journalismus eingeläutet und sich in die große Tradition des erlebnisgetriebenen Reportage nach Hunter S. Thompson oder Egon Erwin Kisch gestellt. Im September feiern Herr Schlange und Herr Joswig ihren Abschied mit einer letzten Tour: Hasta Siempre – Reportagen für die Ewigkeit.
literary + non-fiction + gonzo
Für ihre unkonventionellen Undercover-Reportagen stiegen die beiden Guerilla-Journalisten aus dem Ruhrpott in die Abgründe der Gesellschaft, besuchten sozialistische Bootcamps oder Selbsthilfegruppen militanter Maskulinisten, ließen sich zu Jenseits-Medien ausbilden, unterwanderten Kaffeefahrten und suchten ihr Glück bei ominösen Liebesagenturen. Als die hippen Schreiber von Vice und Co. noch in ihre Windeln kackten, folgten der Journalist Bastian Schlange und der Schauspieler Patrick Joswig bereits ihrem Credo: „Du musst in die Scheiße greifen, um zu wissen, wie sie riecht.“ Ihr Guerilla-Journalismus war vor fast einem Jahrzehnt der neue New-Gonzo-Style.
Die Lesungen der Wattenscheider Schule sind ebenso Event wie Kinnhaken mit der Realitätskeule. Untermauert von Fotostrecken zeigen sie schonungslos die Absurditäten der Wirklichkeit auf. Unterhaltsam und dreckig, ehrlich wie hart, versoffen und verraucht; genau wie ihre Heimat – das tiefste Ruhrgebiet.
Hasta Siempre – Reportagen für die Ewigkeit
Mittlerweile Zigarre statt selbstgedrehter Fluppe: Als der Berliner Szene-Club Katerholzig schloss, verabschiedete sich 2013 auch die Wattenscheider Schule mit einer Lesereihe im dortigen Theater. Die Autoren gingen getrennte Wege und verfolgten eigene Karrieren. Jetzt sind Schlange, der vergangenes Jahr für seine investigativen Undercover-Recherchen mit dem Axel-Springer-Preis ausgezeichnet wurde, und Joswig, den man in den vergangenen Jahren immer wieder in gefeierten Kino-Produktionen sehen konnte, zurück. Und welcher Ort könnte passender für das Comeback und den finalen Abschied der Godfathers of New Gonzo sein als der Pott, wo nicht nur sie sondern auch ihre Ideen und ihre Haltung erwuchsen.
Für ein letztes Mal setzen sich die beiden Haudegen auf die Bühne und geben an zwei Leseabenden ein Best-of aus fast zehn Jahren gepflegter Rock'n'Roll-Reporte. Am Freitag, 8. September, auf dem Campfire, dem Festival für Journalismus und Neue Medien (campfirefestival.org), an der TU Dortmund und Samstagabend, 9. September, im Rottstraßen5-Theater in Bochum. Hasta siempre, comandantes!